Zeitschrift Wendezeit

Parapsychologie

(in der Zeitschrift sind die Beitragaege bebildert)

 

 

Wassermann-Zeitalter Nr. 4/99

 

Zeitreisen des Bewusstseins

Ernst Meckelburg

Eine gewaltige Explosion erschütterte die Stadt; sie löste ein unbeschreibliches Chaos aus. Vernichtung in höchster Potenz &endash; der Overkill. Und ich befand mich mitten in diesem Inferno, in dieser Gluthölle, umgeben von einem Flammenmeer, aus dem es kein Entrinnen gab. Weit und breit keine Fluchtinsel. Weltuntergang.

Ich habe ihn erlebt &endash; so realistisch, wie man die ultimate Katastrophe eben nur selbst erleben kann. Mein erster Gedanke: Jetzt haben d i e (wer immer dies auch sein sollte) es endlich fertiggebracht, die Erde mit allem, was auf ihr lebt, was je auf ihr geschaffen wurde, in die Luft zu jagen. Oder war es gar ein galaktischer Holocaust? Hatten Wahnsinnige durch unverantwortliches Experimentieren mit schwer zu beherrschenden Kräften eine Art Supernova ausgelöst?

Überleben im Geistkörper

Ich dachte und empfand. Ergo lebte ich noch, obwohl die an mir hochzüngelnden Flammen meinen materiellen Körper schon längst verzehrt haben mußten. Offenbar hatte sich mein Bewußtsein - mein eigentliches „Ich" - vom Körper ganz gelöst und in eine höhere, unzerstörbare Existenzebene hinübergerettet. Ich war tot und lebte dennoch - ein „Untoter", eine Art feinstofflicher Zombie.

Plötzlich wurde mir bewußt: Dies alles war nur ein Traum - ein schrecklicher Traum, der einem das Grauen lehren konnte. Aber diese Explosion? Ich hatte sie so erschreckend realistisch, so niederschmetternd brutal empfunden, daß ich heute noch nicht begreife, wie man so etwas träumen kann. Hatte ich etwa in unsere eigene irdische Zukunft geschaut oder dies in einer anderen Realität, in einer Parallel-"Ausgabe" der Erde, des Sonnensystems oder gar des Universums mit einem Schlag vernichtet worden?

Es war Donnerstag der 10. September 1992, 04.30 Uhr früh. Eine halbe Stunde nach diesem aufregenden Traumerlebnis konnte ich wieder klare Gedanken fassen und das „Vorgefallene" protokollieren.

Mein körperliches „Ich" in der Realität des Weltuntergangs gab es jetzt wohl nicht mehr. Doch mein geistiges, feinstoffliches Double - mein Bewußtsein - existierte immer noch. Die Superexplosion muß es in unsere vierdimensionale Welt zurückgeschleudert haben - zurück in die irdische Gegenwart, in meinen hier unversehrten grobstofflichen Körper.

Mein jüngstes Erlebnis könnte bedeuten daß wir, wie viele Physiktheoretiker schon seit langem vermuten, in unendlich vielen parallelen Welten gleichzeitig existieren. Was aber ist dann „Leben", was „Welt" und „Zeit"?

Der österreichische Journalist und Buchautor Gerhard Steinhäuser erwähnt in einem seiner Bücher die Geschichte eines biederen bayrischen Dorfschmieds, der in mehreren aufeinanderfolgenden Wahrträumen seine frühere Existenz als Raubritter mit- bzw. nacherlebt haben will. Die von ihm als sehr realistisch empfundenen Traumerlebnisse führten ihn schließlich zu der Burg, von der aus er seine Raubzüge unternommen hatte. In Chroniken aus jener Zeit fand er seine Träume, seine Zweitexistenz selbst in Details bestätigt. Leben scheint somit nichts Einmaliges und Tod nichts Endgültiges zu sein. Unser Bewußtsein ist anpassungsfähig, vermag offenbar zu unterschiedlichen Zeiten gleichzeitig zu operieren. Steinhäuser nannte solche Mehrfachexistenzen Zeitvarianten.

Der Amerikaner Philip K. Dick (1928-1982), ein profilierter Romanschriftsteller, behauptete von sich, über einen Zeitraum von zwölf Monaten gleichzeitig in zwei „Welten" gelebt zu haben. Seine Doppelexistenz begann im Februar 1974, als er eines Tages an heftigen Zahnschmerzen litt und sich von einer Apotheke Schmerztabletten schicken ließ.

Die Überbringerin der Tabletten trug ein goldenes Amulett am Hals - ein Fischmotiv christlicher Symbolik. Dieses blendete ihn und versetzte ihn in einen tranceartigen Zustand, in dem er sich augenblicklich in eine frühere Existenz zurückversetzt fühlte, genaugenommen ins Jahr 45 n.Chr. Seine damalige Persönlichkeit schien im Jahre 1974 zu neuem Leben erwacht zu sein. Für Dick überlagerten sich Gegenwart und Vergangenheit - ein geradezu schizophrener Zustand, der sich auf seine schriftstellerischen Aktivitäten sogar positiv auszuwirken schien. So will er einmal als einer der „ersten Christen" in Roms Katakomben von Wächtern gewürgt worden sein. Das Merkwürdige hieran: Als Fünfjähriger litt Dick häufig unter starken Schluckbeschwerden, was ihn an den Rand einer Unterernährung führte. Es ist nicht auszuschließen, daß zwischen Dicks Kindheitsbeschwerden und seinen „frühchristlichen Erfahrungen" Zusammenhänge bestehen. Denn: Von einer höherdimensionalen Warte aus schrumpfen zeitliche „Abstände" gegen Null, herrscht in gewissem Sinne Gleichzeitigkeit.

Mehrfachpersönlichkeiten als Beweis?

Nach der von Physiktheoretikern hofierten Parallelwelt-Konzeption könnten wir alle solche Zeitvarianten sein. Und keiner dieser durch die Zeit vagabundierenden Existenzen wüßte von der anderen.

Psychiater haben herausgefunden, daß unser Bewußtsein „teilungsfähig" ist, daß es aus mehreren Einzelpersönlichkeiten, sogenannten multiplen Persönlichkeiten, bestehen kann, die, jede für sich, über unterschiedliche psychische und sogar physiologische Charakteristika verfügt.

An einem Schwerverbrecher, mit dem amerikanische Psychiater längere Zeit „experimentieren" konnten, hat man bis zu zwanzig Einzel- oder Unterpersönlichkeiten festgestellt. Allergien, die sich in einem seiner Persönlichkeitszustände ganz erheblich bemerkbar machten, traten in einer anderen, durch Hypnose hervorgelockten Unterpersönlichkeit, erst gar nicht auf.

Da Bewußtsein aufgrund seiner nichtphysikalischen Beschaffenheit raum- und zeitungebunden ist, wäre es nur allzu verständlich, wenn sich diese autonomen Persönlichkeitskerne verselbständigen und in anderen, parallelen Realitäten / Zeitperioden) andere Leben führten.

Zeitloses Bewußtsein

In der Welt unserer Vorstellungen spielen Raum und Zeit keine Rolle. Jeder kann sich mit seinen Gedanken, seinem Bewußtsein, augenblicklich in vergangene oder fiktive zukünftige Zeiten und Realitäten, an jeden beliebigen Ort in unserem Universum versetzen, sofern er eine Vorstellung von diesem hat. Und im Zustand des Verweilens in einer jener unendlich vielen immateriellen Welten - im Traum, in Trance oder Meditation - können sich dort wenige irdische Sekunden zu Tagen und Wochen und mehr ausweiten. Das Bewußtsein eines in der Zeit Versetzten wird den Ablauf der Ereignisse ganz real erleben, so wie ein College-Student, der im Jahre 1975 beim Überqueren der „Golden Gate"-Brücke in San Francisco (s. Abb.) plötzlich in einen tranceartigen Zustand verfiel und das Schicksal eines ihm völlig fremden Menschen, eines japanischen Mönches, vor Hunderten von Jahren - teils als unmittelbar Beteiligter, teils „gerafft" als Beobachter -, erlebte: „Ich hatte das Gefühl, daß mein ganzer Körper bebte. Die Trägerkonstruktion der Brücke verblaßte, schien nicht länger aus Metall zu bestehen. Da war nur ein alter Holzsteg. Erstaunt stellte ich fest, daß ich Sandalen trug und einen langen ockerfarbenen Umhang. In der einen Hand führte ich einen hölzernen Stab mit mir, während ich gemächlich über den Steg schritt.

Ich hatte das Empfinden, im fortgeschrittenen Alter zu sein. Mitten auf dem Steg blieb ich stehen und ließ meinen Blick über die Reisfelder schweifen… Während ich da so stand, versetzte ich mich in tiefe Meditation. Ich hatte das Empfinden, daß die unter mir dahinfließenden Wasser auch in mir flossen. Mein materieller Körper schien sich aufzulösen, und in den Tiefen meines Seins spürte ich das Wirken des Göttlichen. Schließlich kehrte ich ins Kloster zurück. Meine Zelle war sehr eng und einfach ausgestattet. Da eine Matte zum Schlafen, dort ein Holztischchen zum Schreiben, mit Feder und Tinte. Im Winkel gegen Osten hin stand am Fenster ein kleiner Tisch für meine Meditation.

Vor meinen Augen spielten sich wichtige Szenen aus meinem Leben ab. Ich sah meine Eltern und erlebte meine Kindheit einen Provinz im Süden Japans. Ich war Zeuge meiner Weihe als junger Mönch bei den Roshi. Ich durchlebte meine Jahre der Meditation im Kloster, und ich sah auch, wie ich dieses verließ und in die Welt hinausging. Ich verliebte mich in ein hübsches Mädchen, mit dem ich einige Jahre verbrachte. Wir wohnten an einem Fluß, der wie Musik in unseren Ohren klang, wenn die Strömung das Wasser über die Steine spülte… Ich erlebte den schmerzlichen Tod meiner Frau und meine Rückkehr ins Kloster. Und dann bemerkte ich plötzlich, daß all die Jahre, die ich seit damals mit Meditation und damit verbracht hatte, anderen den Weg des Zen zu lehren, als Vorbereitung für diesen einen Tag dienten. Heute war der Tag, an dem ich aus dieser in die andere Welt hinübergehen würde. Die Vision zuvor auf dem Steg sollte mir meinen bevorstehenden Tod ankündigen.

(Szenenwechsel; das Bewußtsein kehrt in die Realität des Studenten zurück:) Das Traumbild verblaßte, und ich fand mich wieder in die Gegenwart zurückversetzt. Irgendwie hatte ich während der Vision wieder Schritt gefaßt, und näherte mich nun dem anderen Ende der „Golden Gate". Ich hatte das Gefühl, tagelang woanders gewesen zu sein. In Wirklichkeit hatte das Ganze aber nur ein paar flüchtige Sekunden gedauert."

Zeit in veränderten Bewußtseinszuständen

Die Einflußnahme des Bewußtseins auf die Zeit, seine Unabhängigkeit von den Vorgängen in unserem vierdimensionalen Universum, ist aus gewissen lebhaften Traumerlebnissen klar erkennbar. Manche Eskapaden des Bewußtseins im offenbar zeitneutralen Traumzustand vermittelt den Eindruck, als ob unsere Bewegungen in der Zeit immer langsamer oder gar erstarren würden. Wir glauben dann zu schweben, uns zeitlupenartig fortzubewegen - von den Fesseln der Zeit befreit zu sein. Träumen bedeutet demnach das Abkoppeln des Bewußtseins vom zeitabhängigen, materiellen Leib, das Dahingleiten in einer Welt, in der die Kausalität - das Ursache-Wirkungs-Prinzip - aufgehoben zu sein scheint. In diesem Zustand bewegen wir uns durch die gesamte Raumzeit, durch alle Vergangenheiten, Zukünfte und Möglichkeiten. Jeder Traum bedeutet die Wahrnehmung einer anderen Realität, die gleichzeitig mit der unsrigen existiert. Im wachen Zustand erscheint die Zeit fest und unnachgiebig. Wir sehen in ihr eine unüberwindliche Barriere, einen Ordnungs- und Stabilisierungsfaktor. Ihr „Jetzt" trennt das „Vorher" vom „Nachher", verhindert willkürliche Vor- und Rückwärtsbewegungen und sorgt dafür, daß die Kausalität in unserer Welt im großen und ganzen gewahrt bleibt. Aufgrund der unauflösbaren Verflochtenheit von Raum und Zeit, die in der Vierdimensionalität unseres Universums wurzelt, besteht wenig Hoffnung, daß wir unsere einseitige, jetztbezogene Vorstellung vom Wesen der Zeit schon in allernächster Zeit korrigieren werden. Dies gilt natürlich nicht für veränderte Bewußtseinszustände, wie man sie im Schlaf, in Trance, unter dem Einfluß von Narkotika oder bei bestimmte psychischen Störungen erlebt. Unter diesen Bedingungen kommt es immer wieder zu einer subjektiven Beschleunigung oder Verlangsamung von Erlebnisabläufen, zu Fehleinschätzungen und damit zu einer indirekten Überwindung der Zeitbarriere.

Besuche in Parallelwelten

Daß wir aufgrund der raumzeitlichen Ungebundenheit unseres Bewußtseins auch parallel zu unserem Universum existierende Welten besuchen können, daß wir in diesem Zustand vielleicht Erlebnisse haben, die sich in einer für uns in Wirklichkeit nie real werdenden Zukunft oder in einer nicht real gewordenen Vergangenheit abspielen, erscheint gar nicht so abwegig. Manche Träume wirken aufgrund ihrer Intensität und Plastizität wesentlich realer als unsere gewohnte, alltägliche Realität. Schon deshalb sollten wir die Möglichkeiten unseres Bewußtseins nicht unterschätzen und krasse Unterscheidungen zwischen „real" und „irreal" (virtuell) möglichst vermeiden.

Während seiner nächtlichen Exkursionen vollbringt unser Unbewußtes oft erstaunliche Zusatzleistungen paranormaler Art. Es erfaßt auf seinem Weg durch die zeit im voraus so manches Geschehen, das später tatsächlich eintritt. Die Formen, in denen sich Hellsehen (sogenannte Fernwahrnehmung) und Präkognition (Vorauswissen) dem Träumenden darbieten - ob symbolisch-versteckt oder dem späteren Geschehen auch in Details entsprechend - sollte kein Wertmaßstab sein. Was zählt, ist allein die Tatsache, daß durch die nachgewiesene Existenz der Präkognition die Zeitunabhängigkeit unseres Bewußtseins, sein akausales Verhalten bewiesen wird. Und nicht nur das allein. Wenn wir heute schon von Ereignissen Kenntnis erhalten, die erst viel später eintreten, dann müssen auch die Zeitpunkte, zu denen diese Ereignisse stattfinden „werden", bereits irgendwo und irgendwie real sein. Daraus ließe sich folgern, daß alle vergangene und zukünftigen Ereignisse in der Zeit nebeneinander existieren, daß alles gleichzeitig geschieht oder ist. Der Vergleich mit der Anordnung von Zwiebelschalen in einer Superzwiebel drängt sich auf. Jede der Schalen wäre eine unabhängige, parallele Welt, eine Realität für sich. Alles wäre demnach von einer höheren Warte aus gespeichert oder vorprogrammiert wie auf Disketten, die unsere Computer mit „Leben" erfüllen.

Der bekannte amerikanische Psychologe Lawrence LeShan meinte einmal, daß man mit seinem Bewußtsein nichts als Prozesse wahrnehme, ja, daß dieses selbst „in Form eines Prozesses existiere. Ähnlich definiert der ehemalige NASA-Mitarbeiter und Buchautor Jacques Vallée Bewußtsein als „einen Prozeß, durch den informationelle Vorstellungen beschafft und querverbunden werden." Er ist der Auffassung, daß die Illusion von Raum und Zeit nur Nebeneffekte des Bewußtseins sind, wenn dieses zwischen besagten Vorstellungen vermittelt.

Nichtmeßbare Qualitäten wie das Bewußtsein lassen sich in unserer 3D-Welt nicht lokalisieren. Daher erscheint es unzulässig und geradezu unsinnig, den „Sinn des Bewußtseins" im Gehirn zu vermuten - ein Faktum, mit dem sich die meisten von uns - voran die Mediziner - auch heute noch schwertun

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